Sind Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) Medizinprodukte?

Die Verordnung zur Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen (VDiPA) schafft Gleichheit bei den Anforderungen an eine DiPA. Die VDiPA soll Ende des Jahres in Kraft treten.

von Tobias Klingenfuss

Seit Inkrafttreten des Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungsetzes (DVPMG) im Juni 2021 haben wir Pflegeversicherten gemäß § 40a SGB XI Anspruch auf digitale Pflegeversorgung. Wie das konkret aussehen wird, beschreibt die Verordnung zur Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen (VDiPA), welche seit 1. Juni 2022 als Referentenentwurf vorliegt und Ende des Jahres in Kraft treten soll. In vielerlei Hinsicht versucht der Gesetzgeber Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) ähnlich wie die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu behandeln, die seit Dezember 2019 gemäß § 33a SGB V verordnet und von der gesetzlichen Krankenversicherung vergütet werden können.

DiPA gleich DiPA?

Damit man nicht bei DiPA und DiGA durcheinander kommt, hier eine kurze Zusammenfassung der Ähnlichkeiten und Unterschiede.

Der Unterschied zwischen einer DiGA und einer DiPA liegt darin, dass eine DiPA nicht verordnet wird, sondern die pflegebedürftige Person den förderfähigen Pflegeanspruch bei seiner Pflegeversicherung beantragen muss. Im Gegensatz zur DiGA ist die Erstattung der Kosten für die in Anspruch genommene digitale Leistung gedeckelt und wird auf auf 50,00 EUR pro Monat begrenzt (§ 40b SGB XI). Abgerechnet wird zwischen der versicherten Person und dem DiPA-Hersteller. Bei einer DiGA findet die Abrechnung der Vergütung hingegen zwischen dem Kostenträger, sprich der Krankenkasse der versicherten Person, und dem DiGA-Hersteller statt. Eine vorläufige Aufnahme, wie bei einer DiGA, gibt es nicht. Im Gegensatz zur DiGA darf eine DiPA der primären Prävention dienen.

Eine DiPA muss nicht zwingend ein Medizinprodukt sein

Wo § 33a (1) SGB V eine DiGA als ein Medizinprodukt niedriger Risikoklasse festlegt, begnügt sich der § 40a (1) SGB XI darauf, eine DiPA im Wesentlichen auf digitale Technologien einzugrenzen. Eine DiPA muss somit nicht zwingend ein Medizinprodukt sein. Das klingt für all diejenigen ermutigend, die eine nicht-medizinprodukterelevante DiPA planen, wie z.B. ein Kommunikationssystem für pflegebedürftige Personen, über das sie sich mit Pflegekräften zur Wundüberwachung und Dekubitusprophylaxe austauschen. Denn die gesetzlichen Anforderungen an die Entwicklung, Inverkehrbringung und Aufrechterhaltung eines Medizinprodukts sind beträchtlich, so dass sich die Kosten schnell im sechsstelligen Bereich bewegen und die Umsetzung Jahre dauern kann. Schlimmer noch, sobald es sich um ein Medizinprodukt der Risikoklasse IIa handelt, muss eine benannte Stelle zur Prüfung der Konformität hinzugezogen werden. Da kann sich der Zeitplan für die Inverkehrbringung des Produkts um zwei Jahre nach hinten verschieben, da es Engpässe bei den benannten Stellen hinsichtlich der Kapazitäten gibt.

Da scheint es für den Hersteller entlastend, wenn eine DiPA nicht als Medizinprodukt in die Versorgung gebracht werden muss. Doch leider spricht die am 1. Juni 2022 veröffentlichte Referentenversion der Verordnung zur Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen (VDiPA), in der die Anforderungen an eine DiPA konkretisiert werden, eine andere Sprache. So lässt sich zusammenfassend sagen, dass

  • in Anlage I und Anlage II der VDiPA explizit Anforderungen an eine DiPA gestellt werden, die mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR an ein Medizinprodukt vergleichbar sind.
  • die Anwendung von Normen empfohlen wird, um die Erfüllung der Anforderungen zu gewährleisten (Anmerkung zu § 5 Abs. 8 und Abs. 10 VDiPA).
  • in Anlage I VDiPA ein Qualitätsmanagement zur Gewährleistung der Produktqualität und Überwachung des Produktionsprozesses sowie zur Dokumentation der Nachweise gefordert wird.
  • die Umsetzung aller Anforderungen, inklusive der an den Datenschutz und die Datensicherheit gemäß § 5 (3) und (4) VDiPA, anhand von Zertifikaten nachgewiesen werden muss, die von akkreditierte Prüfstelle stammen.

Also doch wieder nur Medizinprodukt!

Da die Normen für die Entwicklung einer DiPA nur empfohlen werden und es kein eindeutig definiertes Verfahren zum Nachweis der Anforderungen aus der VDiPA für Nicht-Medizinprodukte gibt, wird die Unsicherheit groß bleiben, was ausreichend sein wird, um die Konformität zu gewährleisten. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als prüfende Behörde die Anwendung der bereits etablierten Normen ISO 13485, IEC 62304, IEC 62366-1, ISO 14971 und IEC 27001 auch für DiPA, die keine Medizinprodukte sind, voraussetzen wird.

An alle DiPA-Hersteller, die noch keine Erfahrung mit der Entwicklung und Inverkehrbringung von Medizinprodukten haben, informieren Sie sich rechtzeitig, welche Auswirkungen Ihr DiPA-Vorhaben auf Ihr Projekt und Ihr Unternehmen hat. Suchen Sie sich Partner, die bereits in diesem Feld Erfahrung haben und idealerweise die geforderten Anforderungen der empfohlenen Normen umsetzen können. Das spart Ihnen schmerzhafte Rückschläge.

Als qualifizierter Dienstleister für die Entwicklung, die Inverkehrbringung und den Betrieb von Software als Medizinprodukt mit einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem entsprechend ISO 13485 sind wir Ihr Partner für die Umsetzung von Digitalen Gesundheits- und Pflegeanwendungen. Wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung bei der Umsetzung eines DiPA-Projekts brauchen, wenden Sie sich gerne an uns.

Quelle: 
DiPA-Webseite des BfArM mit dem Referentenentwurf der VDiPA → https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Aufgaben/DiGA-und-DiPA/DiPA/_artikel.html