Thema "Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)" – Klaus Mueller im Interview mit Pharma Relations

Um ihren Zweck zu erfüllen, müssen die DiGAs bekannt gemacht werden. Eine Herausforderung und neues Spielfeld für das Healthcare-Marketing? Pharma Relations fragt und unser Geschäftsführer Klaus Mueller antwortet.

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Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat mit "kalmeda", "velibra" und "somnio" die ersten „Apps auf Rezept“ in das neue Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) aufgenommen.

Um ihren Zweck zu erfüllen, müssen die DiGAs bekannt gemacht werden. Eine Herausforderung und neues Spielfeld für das Healthcare-Marketing? Fünf entscheidende Fragen an Klaus Mueller: Die Fachzeitschrift Pharma Relations hat unserem Geschäftsführer interviewt und dieser gibt eine Einschätzung ab, wie der Weg einer DiGA weitergeht wenn sie erst einmal die Hürde ins Verzeichnis geschafft hat. Vollständigen Artikel lesen

Pharma Relations: Wie kommt die App zum Arzt: Sind in erster Linie die App-Hersteller in der Kommunikationspflicht oder werden auch die Kassen ihnen sinnvoll erscheinende Angebote an den Arzt oder die Ärztin bringen?

Klaus Mueller: Das ist eine gute und eigentlich auch die entscheidende Frage, die über den Erfolg von DiGAs entscheiden wird. Der Arzt oder die Ärztin ist der entscheidende Player in dem Spiel. Die Verschreiber müssen über die Existenz, die Wirkweise und die Honorierung der DiGAs bescheid wissen. Nach meiner Meinung handelt es sich eigentlich um ein digitales Medikament, das mir der Arzt empfiehlt, wenn es der Linderung oder Heilung meiner Krankheit dient. Aus diesem Grund erwarte ich auch, dass der Arzt einen Überblick über die Möglichkeiten der digitalen Therapien hat. Das ist bei den zwei vorhandenen DiGAs noch recht einfach. Auch in den kommenden Jahren wird es eine sehr überschaubare Anzahl von DiGAs geben. Ich habe aber den Eindruck, dass die Ärzteschaft das Thema noch nicht so recht ernst nimmt und es immer noch Berührungsängste gibt. Man liest immer wieder Aussagen, dass man doch nicht alle Apps kennen kann und dass man auch nicht das Risiko übernehmen kann. Ich frage mich wirklich, wo der Unterschied zu einem Medikament ist. Ich erwarte doch auch, dass der Arzt einschätzen kann, welche Auswirkungen ein klassisches Medikament für mich haben wird. Um auf die Frage zurückzukommen: Alle Beteiligten müssen über die Existenz und den Nutzen der DiGAs kommunizieren. Das werden in ihren Möglichkeiten die kleinen Hersteller und Start-ups sein, das werden verstärkt die Pharmas mit ihrer Außendienstpower sein und das sollten auch die Krankenkassen sein.

Wir sehen jetzt schon, dass Apps und elektronische Therapien in Selektivverträgen und zur Prävention jetzt schon von den Kassen bezahlt werden. Durchlaufen diese Angebote den DiGA-Prozess, können Sie verschrieben werden.

An dieser Stelle möchte ich nochmal anmerken, dass ich es nicht nachvollziehbar finde, warum präventiv wirkende elektronische Therapien nicht als DiGA zugelassen werden können.

Pharma Relations: Welche gezielten Marketingmaßnahmen und -wege sind von Seiten der Hersteller Ihrer Meinung Richtung HCP gefragt?

Klaus Mueller: Da es sich um ein digitales Arzneimittel handelt, gelten die gleichen Regeln der Pharma- und Gesundheitskommunikation. Die Pharmaagenturen können ihren Methodenkoffer auspacken und anwenden. Der Unterschied in den ersten Jahren wird es sein, die Verschreiber davon zu überzeugen, dass es sich nicht um eine Spielerei handelt. In den letzten Jahren hat es sich durchaus festgesetzt, dass eine Gesundheits-App meist Schritte oder Kalorien zählt und dass sie nicht mehr als 99 Cent kosten darf. Der Aufwand, der in einer als DiGA zugelassenen App steckt, ist dreifach hoch. Zuerst handelt es sich um ein Medizinprodukt, zum zweiten wurde der positive Versorgungseffekt nachgewiesen und zum dritten erfüllen die Apps die hohen Anforderungen des Datenschutzes und der Interoperabilität.

An den Universitäten gibt es die ersten Kolloquien in der Medizinausbildung, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Wir sind in Heidelberg auch schon zu diesem Thema angesprochen worden. Die Ärzte müssen in der Grundlage verstehen, was eine Software als Medizinprodukt und eine DiGA ist. Sie nutzen in Ihrer täglichen Arbeit natürlich intensiv Software. Aber bisher nicht als digitale Tablette, die der Patient mit nach Hause nimmt oder sich selbst aus dem AppStore lädt.

Pharma Relations: Der zweite Kommunikationsweg führt über den Patienten. Wie erreichen App-Hersteller diese Zielgruppe am besten?

Klaus Mueller: Auch hier funktionieren die klassischen Vermarktungskonzepte. Wir erreichen die Zielgruppe Patient dort, wo sie sich aufhält. Das kann die Anzeige in der “Apotheken Umschau” für eine App zur Unterstützung der Wundversorgung sein, die Insta-Community für jugendliche Patienten mit einer Stoffwechsel-Erkrankung oder der redaktionelle Artikel in der Kochzeitschrift. In der Kommunikation muss man den Patienten etwas an die Hand geben, damit er den Arzt davon überzeugt. Hier ist es wichtig, dass der Arzt zu der App neben der Verschreibung auch weitere Leistungen anbieten kann, die dann abrechnungsfähig sind.

Pharma Relations: Welche rechtlichen Überlegungen sollten DiGA-Hersteller bei der Entwicklung von Marketing-Konzepten anstellen?

Klaus Mueller: DiGAs sind keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel, sondern Medizinprodukte. Für die Vermarktung und Kommunikation beider Produktarten gilt ja bekanntlich das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Bei einem Verstoß gegen das HWG drohen Abmahnungen und gerichtliche Verbote. Der entscheidende Unterschied in diesem Kontext ist es, dass Medizinprodukte auch gegenüber Fachkreisen und Patienten beworben werden können.

Pharma Relations: Was raten Sie Startups, die sich auf den Weg ins DiGA-Verzeichnis machen möchten?

Klaus Mueller: Die Antwort ist sehr einfach. Die Finanzierung muss geklärt und ausreichend vorhanden sein. Der Aufwand für die Entwicklung eines Medizinprodukts und die Anforderungen des DGV sind erheblich. Nachdem alles fertig ist, muss man auch noch die Anforderungen der sogenannten nachgelagerten Phase erfüllen. Und dann beginnt die Vermarktung.

Ich rate den Start-ups, sich sehr früh, also zu Anfang, über das Thema der Vermarktung Gedanken zu machen und das fest im Business-Plan zu berücksichtigen. Es reicht nicht, sich nur darüber Gedanken zu machen, wie hoch das Potenzial ist. Also nur zu schauen, wieviele potentielle Patienten es gibt. Der Gesundheitsmarkt ist speziell, komplex und bürokratisch. Mit einer DiGA sind sie mittendrin. In Zukunft werden die großen Pharmas in dem Markt noch eine wichtige Rolle spielen. Es ist einfacher, eine DiGA über den Pharmaaußendienst in die Praxen zu bringen. Ich hatte letztens mit einem Start-up zu tun, das sich Pharma-Manager ins Führungsteam geholt haben. Es kann sinnvoll sein, sich dieses Know-how ins Team zu holen.

Gerne begleiten wir auch Sie und Ihre Idee auf dem gesamten Weg – zunächst zum Medizinprodukt und schließlich weiter zur erstattungsfähigen Gesundheitsanwendung, DiGA. Sprechen Sie uns an und lassen Sie sich von unseren Experten beraten!